Eine Form von operativen Handelsinformationssystemen sind sogenannte Warenwirtschaftssysteme (WWS).

Definition Warenwirtschaftssystem

Es wird in der Literatur häufig als das wichtigste Anwendungs- system im Handel bezeichnet. (Becker und Schütte 2004, S. 44; Hertel 2011, S. 241) Hertel beschreibt die Hauptaufgaben eines Warenwirtschaftssystems in der mengen- und wertmäßigen Steuerung der Güter- bzw. Warenflüsse im Rahmen der Lieferkette von Handelsunternehmen (Hertel 2011, S. 241). Becker und Schütte definieren es als ein System zur Repräsentation der „warenorientierten dispositiven, logistischen und ab- rechnungsbezogenen Prozesse für die Durchführung der Geschäftsprozesse eines Han-delsunternehmens“ (Becker und Schütte 2004, S. 46).

Warenwirtschaftssystem
Definition eines Warenwirtschaftssystem

Anhand des Handels-H-Modells kann ein Warenwirtschaftssystem charakterisiert wer- den. Während das Handelsinformationssystem die Gesamtheit aller Teilinformationssysteme darstellt, beschränkt sich das Warenwirtschaftssystem auf das „H“ des Modells

Dabei ist anzumerken, dass die Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung aufgrund des engen Lieferanten- und Kundenbezugs im „H“ mit aufgenommen sind, jedoch auch als Teil der Finanzbuchhaltung außerhalb des WWS anzutreffen sein können. (Becker und Schütte 2004, S. 46–47) Wenn also im Folgenden von Warenwirt- schaftssystemen gesprochen wird, dann sind damit Anwendungssysteme gemeint, die die Aufgaben eines WWS nach dem Handels-H-Modell (Abbildung 4) erfüllen.

Bei Enterprise Resource Planning (ERP) Systemen handelt es sich ebenfalls um Anwen- dungssysteme, die allerdings in der Regel einen umfassenderen Funktionsumfang als WWS enthalten. ERP-Systeme unterstützen somit mindestens die drei Bereiche Perso- nalFinanzen und Logistik. Das bedeutet, Warenwirtschaftssysteme können theoretisch ein Teil eines ERP-Systems sein. In der Praxis unterscheiden sich beide Anwendungs- systeme jedoch zum Teil. Während ERP-Systeme auf technologische Führerschaft set- zen, decken klassische WWS Branchenanforderungen umfassend ab. (Schütte und Vering 2011, S. 28–30) In diesem Zusammenhang sind unter anderem die in 3.1 vor- gestellten Handelsfunktionen zu nennen.

Aufgrund dieser Branchenanforderungen ergeben sich auch bei der Einführung von Wa- renwirtschaftssystemen im Unternehmen verschiedene Anforderungen an das System (Schütte und Vering 2011, S. 34–45). Eine Besonderheit des Handels liegt im hohen Volumen an Geschäftsvorgängen und einer vergleichsweise hohen Artikelzahl im Ver- gleich zur Industrie (Schütte und Vering 2011, S. 38; Zentes 2006, S. 932). Daraus resultiert ein hohes Datenvolumen in Handelsunternehmen. Dazu kann das PoS-Upload Volumen eines Einzelhandelsunternehmens aufgeführt werden. Das sind die Bondaten (vgl. 3.3.1), die aus dem Kassensystem der einzelnen Märkte in das zentrale Waren- wirtschaftssystem geladen werden. In großen Handelsunternehmen werden laut Becker und Winkelmann bis zu 100 Mio. Datensätzen in den Kassen erfasst und bei durch- schnittlich großen Lebensmittelketten zwei bis sechs Millionen. (Becker und Winkelmann 2014, S. 118) Für das Datenvolumen im Einzelhandel ist besonders die Anzahl der zu berücksichtigen Filialen relevant, da im Extremfall filialindividuelle Preise, Konditionen, Bezugswege etc. vorhanden sein können, die das Datenvolumen multiplikativ mit der Filialzahl erhöhen. (Schütte und Vering 2011, S. 39). Die Verwaltung solcher Datenbe- stände führt zu hohen Anforderungen an das Warenwirtschaftssystem und die einge- setzte Hardware. Dies betrifft aufgrund der Filialstruktur besonders Unternehmen im Einzelhandel. Große Handelsunternehmen im Allgemeinen, auch diese aus dem Bereich Groß- und Versandhandel, sollten daher das Warenwirtschaftssystem auf ihre Bedürf- nisse anpassen. (Schütte und Vering 2011, S. 40).