Es gibt viele Social-Plattformen, auf denen mittlerweile Chatbots angeboten werden. In diesem Kapitel werden zunächst die Gründe für den Fortschritt in den letzten Jahren und die daran anknüpfende Implementierung auf Facebook und WeChat erläutert. Um konkrete Chancen ableiten zu können, ist es vor allem durch die sehr dynamische und schnelle Entwicklung von Chatbotfunktionen und APIs von großer Relevanz, auf konkrete Möglichkeiten verschiedener Chatbot-Plattformen einzugehen. Dadurch wird ersichtlich, was nicht nur zukünftig in der Theorie, sondern aktuell schon in der Praxis möglich ist. Der Aspekt der NLP und die Einbindung des ML spielt dabei eine wichtige Rolle.

Chatbots haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und werden immer präsenter. Allein Facebook zählt im Jahr 2018 über 300.000 monatlich genutzte Chatbots auf ihrer Plattform (Kraus 2018). Chatbots gibt es schon seit 1966, doch in den letzten drei Jahren wurden vor allem textbasierte Chatbots in Europa immer interessanter. In China begann der Hype um Chatbots mit der Einführung von Chatbots auf der Messenger-Plattform WeChat. Sprachbasierte Chatbots gehörten schon 2016 zu der am häufigsten verwendeten Sprachtechnologie. Das Grundprinzip von sprach- und textbasierten Chatbots ist dabei identisch. Es wird ein gewisses Ereignis erreicht, indem man sich mit einer Maschine in Form eines Dialogs in natürlicher Sprache unterhält. Zu den wichtigsten Sprachassistenten gehören Siri, Cortana, Alexa und Google Assistant. Dem Grundprinzip dieser Sprachassistenten folgen nun tausende, textbasierte Chatbots, die alle für bestimmte Zwecke entwickelt werden. Ermöglicht werden diese Chatbots durch verschiedene Tools und Plattformen, die in Kapitel 3.2 genauer erläutert werden. Viele sehen diese Technologie als Vorboten einer Revolution der Computer-Mensch-Interaktion (Dale 2016, S. 811). MIT Technology Review zählt beispielsweise Chatbots zu eine der zehn bahnbrechenden Technologien aus dem Jahr 2016 (Knight 2016). Auch kündigte Microsoft CEO Satya Nadella im März 2016 an, dass Chatbots die nächste große Technologie sein werden, welche sich mit der Nutzung einer grafischen Benutzeroberfläche, dem Webbrowser und dem Touchscreen auf Augenhöhe befinden werden (Kovach 2016). Im April 2016 verkündete Mark Zuckerberg, der CEO von Facebook, dass Chatbots beispielsweise auch die Lösung für das Problem der App-Überlastungen sein werden (McMillan 2016). Man erkannte also schon 2016, dass die Interaktionen mithilfe von Chatbots immer wichtiger werden. Es stellt sich jedoch die Frage, wie es zu diesem Wachstum kam.

Einer der wichtigsten Gründe für das Wachstum der Chatbot-Community ist die immer größer werdende generelle Nutzung von Messenger-Plattformen, die Chatbots anbieten (S. 815). Zu diesen gehören etwa Facebook, der Facebook Messenger, WeChat, Viber, Slack, Kik und Skype (Følstad und Brandtzæg 2017, S. 41). Folgende Statistiken zeigen, wie stark diese Plattformen mittlerweile weltweit vertreten sind. Im Januar 2018 nutzten weltweit 2,167 Milliarden Menschen mindestens einmal im Monat Facebook, 1,3 Milliarden Menschen den Facebook Messenger, 980 Millionen Menschen den Messenger WeChat und 300 Millionen Menschen die Messenger- und VoIP-App Skype. Im Vergleich zu Januar 2017 bedeutet das einen weltweiten Anstieg von 13 Prozent aller Social-Media- Dienste (Kemp 2018, S. 56-59).

Abbildung 10: Die meistgenutzte Messenger-App pro Land,
Quelle: Kemp (2018, S. 60)

Abbildung 10 visualisiert die jeweils meistgenutzte Messenger-App pro Land. Es ist allerdings anzumerken, dass in dieser Statistik lediglich Downloads aus dem Google Play Store beachtet wurden, was bedeutet, dass beispielsweise Apple Nutzer nicht mit in die Statistik einfließen. Der Facebook Messenger ist in 72 Ländern, u.a. in den USA, die meistgenutzte Messenger-App. Viber hingegen ist in zehn und WeChat ist in drei Ländern die meistgenutzte Messenger-App. WeChat nimmt dabei vor allem auf dem chinesischen Markt eine wichtige Rolle ein, da es dort die meistgenutzte Messenger-App ist (Kemp 2018, S. 60).

Ein weiterer Grund sind auch die Fortschritte der letzten Jahre im Bereich der KI und des ML. Durch diese Fortschritte konnten beispielsweise die Interpretation und Vorhersage natürlicher Sprachen, sowie die maschinelle Übersetzung selbst erheblich verbessert werden (Shah et al. 2016, S. 291). Die Gründe für diese Fortschritte sind vielfältig. Zum einen liegt es daran, dass sich die Internetnutzeranzahl weltweit im Jahr 2017 auf 48,6 Prozent belief und damit fast die Hälfte der Weltbevölkerung ausmacht (ITU 2017). Die Entwicklung des Internet der Internet of Things (IoT) mit vernetzten Geräten und die Konnektivität aller angeschlossenen Geräte tragen ebenfalls dazu bei. Der Erfinder der „Hypertext Markup Language“ (HTML) und des „Hypertext Transfer Protocol“ (HTTP) prognostizierte die Entwicklung des IoT vor mehr als 20 Jahren. Auch die rasante Entwicklung von großen Unternehmen wie Facebook, Google oder Amazon wurden erst durch Technologien zur verteilten Berechnung und Speicherung von Daten möglich. Facebook und Google beteiligen sich mit großem Ressourceneinsatz beispielsweise an der Apache Foundation und treiben so Open-Source Projekte voran. Ohne solche Technologien wäre ein paralleles Bearbeiten von Millionen Anfragen für große Internetunternehmen unmöglich. Aber auch die Entwicklung im Bereich der Rechenkapazitäten sind ein Grund für die Entwicklung der KI. Seit der Jahrtausendwende werden in normalen PCs Multi-Core-Prozessoren eingesetzt, wodurch eine Massendatenverarbeitung ermöglicht wird. Außerdem kamen 1999 die ersten Graphics Processing Units (GPU) auf den Markt. Sie wurden ursprünglich für die Berechnung aufwendiger mathematischer Funktionen entwickelt, um in Computerspielen realistischere Grafiken zu erzeugen. Möglich wird dies durch die besondere Architektur. Es wird schon auf Prozessorebene ein Vielfaches der Kerne einer CPU eingebaut, allerdings mit einer deutlich geringeren Taktfrequenz. Diese GPUs werden für rechenintensive Aufgaben verwendet, die sich gut parallelisieren lassen. Zu diesen Einsatzgebieten zählt auch das Deep Learning. Beim Deep Learning müssen nämlich parallel Tausende Vektor- und Matrizenoperatoren berechnet werden. Durch den Einsatz von GPUs konnten Lernzeiten neuronaler Netze von Monaten auf Wochen oder Tage verkürzt werden. Vor allem bei Berechnungen, die eine lediglich einfache Genauigkeit benötigen, wie es beispielsweise bei neuronalen Netzen der Fall ist, erzielen GPUs deutlich bessere Ergebnisse als CPUs. Große Unternehmen, wie Google und Facebook entwickeln ihre eigenen Prozessoren für KI-Anwendungen. Die Entwicklung von GPUs gehört also zu den Hauptgründen für die starke Entwicklung der KI (Gentsch 2017, S. 19-23).

Im Bereich der KI wird außerdem auch an einigen möglichen Zukunftstechnologien geforscht. Viele Unternehmen und Forschungsteams arbeiten aktuell daran, die Von- Neumann-Architektur abzulösen, nach der bis heute alle Computer aufgebaut sind. Ziel ist es, anstelle von logischen Schaltkreisen aus Nullen und Einsen eine von der Neurowissenschaft inspirierte Architektur zu konstruieren, die ähnlich wie das Gehirn funktioniert und wie ein Nervenzellennetzwerk aufgebaut ist. Eine solche Architektur eignet sich hervorragend für den Einsatz in neuronalen Netzen bei strukturierten Daten, wie Tabellen oder Datenbanken, aber auch bei unstrukturierten Daten, wie Text-, Bild-, Audio- und Video-Dateien. Erste Projekte von IBM oder der Universität Heidelberg zeigen, dass diese Technologie in der Lage ist, die Operationen der KI erheblich zu beschleunigen (Gentsch 2017, S. 23).

Außerdem deutet der Fortschritt in der KI darauf hin, dass das NLP mithilfe von Rekurrenten Neuronalen Netzen in Zukunft noch effektiver werden könnte (Tang et al. 2015, S. 1429).

Einer Statistik zufolge soll der Umsatz weltweit mit Unternehmensanwendungen im Bereich der KI bis 2025 auf über 31 Milliarden US-Dollar pro Jahr steigen (Tractica 2016). Der weltweite Umsatz, der durch virtuelle digitale Assistenten generiert wird, soll ebenfalls bis 2021 auf über 11 Milliarden US-Dollar steigen (Horizont 2017). Im Grunde begann die rasante Entwicklung der Chatbots schon einige Jahre früher. WeChat war der Messenger, der Chatbots eingebunden hat und China somit der Ort, an dem der moderne Chatbot als erstes Fuß gefasst hat. WeChat führte schon 2013, viele Jahre vor Facebook, Chatbots ein. So können WeChat-Nutzer in China schon seit längerer Zeit Taxis oder Rechnungen per WeChat bezahlen. Ein Grund für das frühe Wachstum auf dem chinesischen Markt ist die Tatsache, dass Social-Media in China beim Einkaufen für den Endverbraucher eine große Rolle spielt. Im Vergleich zum Westen herrscht in China ein großer Unterschied in der Konsumpsychologie. Den chinesischen Konsumenten fehlt, aufgrund der zahlreichen Produktsicherheitsskandale in den letzten Jahren, das Vertrauen in lokal hergestellte Produkte. Aus diesem Grund neigen sie dazu, die Meinung anderer Konsumenten einzuholen und sogar das Unternehmen selbst zu fragen, bevor sie online oder im Geschäft einkaufen. Die hohe Anzahl der Konsumenten und ihre Lust am Fragen sind einer der Hauptgründe für den hohen Bedarf an Chatbots in China. Aus diesem Grund entwickelte WeChat einen Messenger-Dienst, der aber auch Funktionen einer herkömmlichen Social-Media-Plattform und eines Bezahldienst beinhaltet und ist momentan Marktführer in China (Jerry 2017). WeChat handelt es sich außerdem um eine Plattform, die bereits bei der Markteinführung für die Nutzung am Smartphone konzipiert worden ist. Dieser Tatsache lässt sich sicherlich auch der Erfolg zuschreiben, welchen WeChat erntet, da andere Plattformen für die Webseitnutzung entwickelt wurden und im Nachhinein zusätzlich für die Nutzung am Handy angepasst werden (Chan 2015, S. 1). Weltweit zählt WeChat über 1,082 Milliarden monatlich aktive Nutzer im dritten Quartal 2018 (Tencent 2018).