Die Technologie dient immer mehr dazu Mittel zum Zweck und Unterstützer zu sein. Allerdings kann diese Technologie dazu führen, dass die Datenanalysierung wichtiger wird, als die Fähigkeit, die Bedürfnisse der Kunden nachvollziehen zu können und sich damit in den Kunden hineinzuversetzen. Die tatsächlichen kommunikativen Erfolge sind nämlich nicht Big Data und Algorithmen zu verdanken, sondern Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnisse. Wenn man die Menschen nicht versteht und ihre Bedürfnisse im Datenfieber vergisst, dann wird auch die Marketing-Automation scheitern (Schüller & Schuster, 2017, S. 63f.).

„Marketing-Automation ist die technologische Plattform des Leadmanagements. Solche Plattformen dienen dazu, Workflows und Kommunikationskampagnen zu definieren, bislang händische Prozesse zu automatisieren und Ergebnisse messbar zu dokumentieren.“( Schüller & Schuster, 2017, S. 63). Die Nutzung der Plattformen dient zum einen zur Weiterentwicklung der Bestandskundenbeziehungen, zum anderen lassen sie sich für eine effiziente Entwicklung von potenziellen Kunden einsetzten. Dabei wird sowohl der Vertrieb als auch das Marketing unterstützt. Die wesentlichen Aufgaben sind dabei (Schüller & Schuster, 2017, S. 63):

• die Generierung und Entwicklung von Leads,

 • die auf die Bestandskunden bezogenen Up- und Cross-Sellings,

• der Umgang mit den Kommunikationskampagnen,

 • das Bewerten und Qualifizieren der Kunden im Kaufvorgang.

Die Marketing Automation nutzt sowohl aktive als auch passive Mittel, um potenzielle Käufer kennenzulernen. Bei aktiven Ansätzen werden direkt Fragen gestellt, und bei passiven Ansätzen werden Informationen über vergangene Transaktionen oder Clickstream-Daten verwendet (Montgomery & Srinivasan, 2003). 

Marketing Automation ist grundsätzlich in drei Segmente zu unterscheiden: Marketing Workflow Management, Marketing Intelligence und Marketing Dialogue Processing (Wagener, 2018, S. 140). 

Marketing Workflow Management verweist auf die Automatisierung von internen Marketingprozesse. Dazu zählen die Projektsteuerung im Vertriebs- und Marketingumfeld. Weiterhin gehört das autonome Monitoring der Budgetbetreuung und der angemessene Abgleich auf Basis der entsprechenden Datensysteme auch dazu. Ebenfalls erfolgt das Management der Werbemittel und -formate auf Grundlage von mechanisierten Workflows („Advertising Assets“) (Wagener, 2018, S. 140).

  Marketing Intelligence bezieht sich auf die automatisierte Sammlung und Auswertung der Userdaten. Dies umfasst alle im Hintergrund laufenden Targeting- und Tracking- Handlungen, die Analysen der Nutzer Surfhistorie, das Erfassen und Aufbereiten von Öffnungsraten, die Auswertung von Kunden- und Stammdaten und zum Schluss die Verbindung aller Daten, um sie für aussagekräftige Reportings und Kennzahlen zu nutzen, wie zum Beispiel der Smart-Data- oder Big-Data-Ansatz (Wagener, 2018, S. 141). 

Marketing Dialogue Processing beschreibt die automatisierte Abwicklung und Steuerung des Kundendialogs. Dieser Teil zählt als Automatisierung des Kundenbeziehungsmanagements (CRM). Auf Grundlage der gesammelten Daten von potenziellen Käufern sowie aktuellen Kunden werden Marketingmaßnahmen abgeleitet. Dies geschieht mit Hilfe der Analyse von Kommunikationskanälen, Kundenbedürfnissen und Kundenverhalten. Im Anschluss werden die Auswirkungen und Beeinflussungen dieser Marketingmaßnahmen untersucht und optimiert (Wagener, 2018, S. 141).

 Die größte Veränderung die, die Automatisierung schafft befindet sich im Bereich des Buchdrucks. Durch den Buchdruck können Angebote kostengünstig und bequem verdoppelt werden. Das Eintüten und Falzen von Prospekten wird heute genauso wie das Bedrucken, Frankieren und Sortieren von Adressaufkleber ebenfalls vollautomatisch durchgeführt. Marketingmanager ist es heute möglich passgenaue Kampagnen auf spezielle Zielgruppen auszurichten. Diese wirken auf den Empfänger viel professioneller als plumpe Massenwerbung. Das Internet wird heute oft dafür genutzt, sich Informationen vor einem Kauf einzuholen. Die ersten die dies Erkannten und zu ihren Gunsten nutzten, waren die Suchmaschinen. Die erste Suchmaschine, die passgenau Anzeigen bei einer Suchanfrage angezeigt hat, war Altavista. Google machte 2013 einen Umsatz von 47,7 Milliarden US-Dollars, mit vollautomatisierten Anzeigen, die im passenden Kontext dargestellt wurden. Die Möglichkeiten Interessenten zum richtigen Zeitpunkt das richtige Angebot zu machen, haben sich durch die Datenauswertungen in Echtzeit wesentlich Weiterentwickelt (Schwarz, 2014, S. 8f.).

 Das <Wenn-Dann-Prinzip> ist das Vorgehen von Marketing-Automation-Plattformen (MAPs). Sie dienen dazu, die passenden Inhalten (Content) dem Kunden anzubieten und diesen im Kaufprozess zu begleiten. Dabei wird bei jedem Kunden individuell auf seine Reaktionen eingegangen. Wenn dieses System einmal installiert ist, kann der Prozess immer wieder durchlaufen werden und zu Wiederholungseinkäufe motivieren. Manuell wäre dieser Prozess zeitaufwändig und kompliziert. MAPs generieren hinsichtlich vordefinierten, automatisch ablaufenden Vorgängen, datenschutzkonform Adressen von Interessenten, die bereits beim Übergabezeitpunkt ein großes Interesse an bestimmte Angebote haben. Die Vorqualifizierungsarbeit durch die Vertriebsmitarbeiter, die oftmals mühsam und frustrierend ist, entfällt. Zudem verschafft die Marketing-Automation- Plattform einen hervorragenden Überblick über die Menge und die Stadien der Leads im ganzen Verkaufsprozess. Durch diese Transparenz wird eine steigende Planungssicherheit erzielt. Zudem ermöglicht sie Wettbewerbungsvorsprunge und weitere Verkaufschancen durch Informationen über aktuelle Bedürfnisse der Interessenten und am Markt (Schüller & Schuster, 2017, S. 63f.).

  Die folgenden Beispiele sollen ein besseres Verständnis für die Praxisanwendung der Marketing Automation geben (Heimbach et al., 2015, S. 130): 

• Ein Franchise-Restaurant kann Inhalte für seine Smartphone-Anwendung je nach Wetter, Standort und Tageszeit anpassen. Wenn es in Berlin bewölkt ist, zeigt die mobile Anwendung Benutzern in der ganzen Stadt möglicherweise automatisch Coupons für heißen Kaffee an. Wenn es in München zur gleichen Zeit sonnig ist, ist Orangensaft möglicherweise die bessere Wahl für potenzielle Kunden in Süddeutschland. 

• Ein Kunde hat möglicherweise Kinokarten für eine romantische Komödie mit einem sehr berühmten Schauspieler-Duo gekauft. Basierend auf dieser Kaufhistorie und dem Geschlecht, die in den Kontoinformationen abgelegt sind (in diesem Fall: weiblich), kann ein Newsletter ausgelöst werden, sobald ein neuer Film mit dem männlichen Schauspieler in einem neuen Film veröffentlicht wird. 

• Ein Online-Reisebüro kann die angezeigten Angebote gemäß den in der Suchmaschine eingegebenen Schlüsselwörtern anpassen. Der Benutzer wird beispielsweise bei der Suche nach „Strandurlaub“ auf wärmer Ziele umgeleitet, oder bei dem Suchbegriff „Skifahren“ auf kältere Gebiete oder Bergregionen hingeführt. 

Marketing Automation bedeutet, Daten zu sammeln, um Interessenten hochrelevanten Informationen zur Verfügung zu stellen. Mit Hilfe von Webanalyse-Tools werden anonymisierte Informationen des Klickverhaltens von Menschen gesammelt. Wer auf den Damenpullover klickt, bekommt auf den nächsten Seiten weitere Angebote von Damenbekleidung angezeigt. Das nennt man Pre-Targeting. Wenn man sich das Gesicht einscannt, um virtuelle Brillen anzuprobieren, bekommt man bei Facebook Werbeanzeigen des Optikers angezeigt. Durch zielgerichteter Werbung an einzelner Kontakte werden erhebliche Kosten eingespart (Schwarz, 2014, S. 15). 

Für die Leadgenerierung kann man neue Kunden ansprechen. Dafür gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, um die Adresse von potenziellen Neukunden zu erfragen. Beispielsweise könnte der Akustiker dem Kunden anbieten, sich seine Hörtestergebnisse per EMail zuschicken zu lassen. Oder das Küchenstudio stellt einen Ratgeber für Küchenplanung als Download zur Verfügung. Die Begrüßungsmail hat die höchste Öffnungsrate. Anhand dessen sind erste Interessenschwerpunkte auszumachen. Bei Interesse werden automatisch weitere, an den Interessen angepasste Informationen, zugeschickt. Der Vertrieb kann auf direkten Weg auf das System zugreifen und sich die vielversprechendsten Interessenten raussuchen und kontaktieren. Marketing Automation bietet viele Alternativen sobald ein Kunde und seine Einwilligung vorliegt. Wenn ein Kunde sich über ein bestimmtes Hotel sämtliche Details einholt, kann er am folgenden Tag E-Mails mit Hotelfotos erwarten. Weiterhin weisen Erinnerungsemails weil man etwas im Online- Warenkorb hinzugefügt und es dann stehen gelassen hat, eine dreimal höhere Öffnungsrate auf (Schwarz, 2014, S. 15f.).

 Wichtig ist, der richtigen Zielgruppe den richtigen Inhalten zu vermitteln. Ein Online- Fitnessstudio versendet über dreihundert Inhaltskomponenten in Form von individuell zusammengestellten E-Mails an den Mitgliedern. Jede E-Mail ist je nach Trainingsintensität, Kurswahl und Trainingsziel des Empfängers zugeschnitten, was wiederum sein Interesse weckt und dafür sorgt, dass die E-Mail als relevant wahrgenommen wird. Weiterhin ist es günstiger nicht mehr aktive Kunden zu reaktivieren als neue Kunden zu gewinnen, denn nicht aktive Kunden weisen ein größeres Potenzial auf. Ein Onlinehändler wählte vier Teilbereiche inaktiver Empfänger aus. Allen wurden unterschiedliche Rabatte zugesendet, wobei Nichtöffner wiederholt kontaktiert wurden. Die Kampagne hatte einen enormen Erfolg und lieferte einen vier- bis fünffach erhöhte Kommunikationsrate und eine vielfache Öffnungsrate (Schwarz, 2014, S. 16). 

Die erfolgreiche Umsetzung der Marketing Automation in der Handelsbranche setzt einige Maßnahmen und Kriterien voraus. Diese Voraussetzungen setzten sich sowohl auf Technologieinvestitionen und die dafür benötigten Kenntnisse und Kapazitäten, sowie soziale und kulturelle Herausforderungen im Unternehmen und bei den Konsumenten. Als technologische Voraussetzung ist die Integration der Kunden- und Unternehmensdaten zu betrachten, welche in einem Datenmanagementsystem, einen reibungslosen Zugang, eine überschaubare Datenstruktur, den Datenschutz und die Sicherheit erfüllen muss. Dabei gilt das Datenmanagementsystem als eine Kombination von Managementprozessen und Technologieplattformen anzusehen. Die Potenziale der Anwendungsseite lassen sich erst dann vollständig ausschöpfen, wenn eine daten- und systemquellenübergreifende Integration des Supply Chain Prozess stattgefunden hat. Weiterhin ist die Technologie der Kundenschnittstelle ein zentrales Investitionsfeld. Zugangssysteme und mobile Anwendungen, welche ein einzigartiges Kundenerlebnis auslösen, könnten als Grundlage für zentrale Wettbewerbsvorteile dienen (Spang, 2017, S. 172).

 Des Weiteren sollte eine ausführliche Anleitung, Ausführung und Einübung der neu eingeführten Prozesse und Verfahren der Marketing Automation, für die Mitarbeiter des Unternehmens stattfinden. Die Digitalisierung schafft zwar viele Potenziale für alle Marktteilnehmer, jedoch können vor allem die kleinen Unternehmen nicht die benötigten Anfangsinvestitionen erbringen. Für führende Unternehmen ermöglichen sich hier Chancen, neue Stellen und Positionen zu entwickeln, während kleiner Unternehmen geeignete Angriffs- und Nischenstrategien ausbauen müssen (Spang, 2017, S. 173).

 Alle Mühen und Anstrengungen der Marketing Automation und der damit verbundenen Digitalisierung streben die Erfüllung der Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden an. Der Erfolg und die Akzeptanz bei den Kunden hat in den letzten Jahren an enorme Wichtigkeit im Wettbewerbsumfeld gewonnen. Vor allem die Datensicherheit ist ein wesentlicher Faktor, der zur Kundenakzeptanz beiträgt. Alles in einem bildet sich vielversprechende Potenziale für eine Digitalisierung der Marketingprozesse im Handel. Jedoch werden Unternehmen und Marktteilnehmer mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Damit ist die erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung, von der Vorgehensweise und dem Umfang der Komplexität abhängig (Spang, 2017, S. 173f.).