Jahrelang war die Beratungskompetenz das wichtigste Instrument für die Kundenbindung im Einzelhandel. Der Verkäufer oder Berater zählte vor Ort als wichtigste Bindeglied zum Kunden. Durch eine anständige Beratung und gewissenhafte Arbeit, kann man die Verkaufszahlen steigern und das Vertrauen in die Handelsmarke fördern. Allerdings sind es heute immer weniger Kunden, die in einer physikalischen Türschwelle treten (Bscheid & Hohenacker, 2015, S. 428). Laut einer Studie von Capgemini scheint das stationäre Geschäft zwar weiterhin der beliebteste Einkaufsort zu sein (72%), jedoch steht das Internet nur knapp hinter dem stationären Geschäft (67%) (Capgemini Worldwide, 2014). Der Überwiegende Teil der Kunden (51%) wollen zukünftig ihre Käufe online tätigen statt im Einkaufscenter. Inzwischen kaufen 94% (51 Mio. der Bundesbürger) der über 14 Jahre alten deutschen Internetverbraucher online ein (Bitkom e.V., 2013). Für den Handel scheinen die eCommerce-Angebote eine große Möglichkeit des Wachstums zu sein, denn die Distanz zwischen Kunden und dem Online-Shop des Händlers, ist mit nur einem Click aufgehoben. In der Praxis ergeben sich durch die neue Form des Verkaufens einige Herausforderungen für die Handelsbranche (Bscheid & Hohenacker, 2015, S. 428).

Dennoch bewegt sich der Handel durch die Digitalisierung in eine günstige konjunkturelle Umgebung. Die Digitalisierung stellt die Handelsbranche vor einer großen Umstrukturierung. Bevor sich die Digitalisierung durchgesetzt hat, durchlief ein Produkt die Wertschöpfungskette, die sich klassischerweise vom Hersteller bis hin zum Großhandel in den Einzelhandel durchzog, bevor es beim Konsumenten ankam. Vor allem die Vernetzung aller Marktteilnehmer durch den omnipräsenten Einsatz von Kommunikationsund Informationssystemen ist ein wesentliches Merkmal die mit der Digitalisierung einher gehen. Dadurch wird die traditionelle Art der arbeitsteiligen Wertschöpfungskette gebrochen. Verbrauche und Unternehmer arbeiten enger zusammen. Dies trägt zur Folge, dass der Handel nicht nur als Vermittler zwischen Konsumenten und Hersteller dient, sondern auch die Strukturen der Branche fundamental ändert. Hersteller umgehen den Handel, indem sie zum Direktvertrieb übergehen. Die Entstehung neuer Vertriebsformen und Geschäftsmodelle bildet sich sehr schnell und das manchmal ohne große Investitionen. Der Handel wird durch die zunehmend grenzüberschreitenden Einkäufe von anderen internationalen Konkurrenten oder Branchen unter Druck gesetzt (Rumscheidt, 2018, S. 39).

Zusammengefasst bedeutet das für die Handelsbranche, dass der Prozess der Wertschöpfungskette völlig neu umstrukturiert werden muss und neue Kooperationen und Verbindungen entstehen müssen. Auch muss sich der Handel auf die veränderten Anforderungen der Konsumenten einstellen. Konsumenten weisen ein zunehmend komplexeres Verhalten auf, die Lebenswelten werden undurchschaubarer und standardisierte Angebotspakete verlieren an Aufmerksamkeit. Jedoch steigt gleichzeitig die Bedeutung an immateriellen Zusatznutzen, sodass heute viel mehr Wert auf die Bedürfnisbefriedigung gelegt wird, als auf reine Warenbeschaffung (Jahn, 2017, S. 40ff.). Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse und Erlebnisse der Konsumentenentscheidungen (Rumscheidt, 2018, S. 39). Die stationären Einzelhändler müssen ihre Strukturen komplett umgestalten: Sie müssen sich künftig über ihre Kunden informieren und diese über unterschiedliche Kommunikationskanäle ansprechen und ihre Angebote und Formate innovativ gestalten, um somit den aufkommenden Druck, der durch die digitalen Wettbewerber aufkommt, standzuhalten (Mei-Pochtler & Hepp, 2013, S. 78).

Aus Sicht des Handels ist die „Digitalisierung des Verbrauchers“ von wesentlicher Bedeutung. Die Menschen sind zunehmend in der Lage, digitale Dienste zu nutzen und erwarten diese sogar. Bis zu einem gewissen Grad handelt es sich hierbei um ein Generationsproblem. Die jüngeren Generationen sind mit der Digitalisierung aufgewachsen und stehen eifrig an der Spitze der Einführung neuer Technologien. Der Wandel ist jedoch so schnell und umfassend, dass die Menschen ständig neuen Herausforderungen und Potenzialen ausgesetzt sind. Die digitale Technologie wird immer benutzerfreundlicher. Zudem kommt die rasante Entwicklung von innovativen digitalen Systemen, welche täglich automatisiert Informationen sammeln, kommunizieren und sich mit sozialen Medien beschäftigen (Mäenpää & Korhonen, 2015, S. 90).

 All dies hat ein Marktpotential geschaffen, das kein Einzelhändler ignorieren kann. Alle zukunftsorientierten Händler versuchen, mit der fortschreitenden Digitalisierung Schritt zu halten. Auch wenn der direkte kommerzielle Nutzen schwer fassbar sein mag, gibt es eine Vielzahl von Nebenprodukten der Digitalisierung, die Händler berücksichtigen und oft auch ihren Kunden anbieten müssen, damit sie nicht das Image ihrer Marke verlieren. Zunächst muss der Standort der Geschäfte für diejenigen verfügbar sein, die einen bekannten oder potenziellen Händler im Web suchen. Ein logischer Schritt voraus ist die Bereitstellung von Informationen zu Sortimenten, Dienstleistungen und Preisen an diesen Standorten. Auf dem Weg der Digitalisierung möchte ein Einzelhändler wahrscheinlich eine Art Kundengespräch führen. Dies geschieht immer häufiger in sozialen Medien auf den Seiten, die Kunden für ihre Interaktion mit Freunden und Kollegen ausgewählt haben. Häufig entscheiden sich Einzelhändler dafür einen voll ausgestatteten Webshop einzuführen, bei dem Kunden online einkaufen und diese entweder von Logistik Unternehmen nach Hause liefern lassen oder ihre Einkäufe selbst abholen können (Mäenpää & Korhonen, 2015, S. 90f.).

 Derzeit werden 11% des Umsatzes im Einzelhandel über E-Commerce erzielt. Das sind etwa 60 Milliarden Euro. Im Vergleich liegt der Anteil in den USA bei 13%, in Großbritannien bei 15% und in Frankreich bei 8%. Im Non-Food Sektor sind es bereits 20% des Umsatzes, der über den E-Commerce erreicht wird. Im Bereich Musik und Bücher liegt der Onlineanteil bei über einem Drittel, bei Schuhen und Kleidungen sind es etwa ein Viertel. Auch Elektroartikel und Unterhaltungselektronik machen heute einen hohen Umsatz im Onlineverkauf aus. Der Onlineumsatz bei Lebensmitteln ist in Deutschland mit knapp 2% noch nicht sehr ausgeprägt, jedoch könnte sich dies in kurze sehr schnell ändern. Die großen Lebensmittelhändler investieren enorm in den Lieferbereich, obwohl diese derzeit den Aufwand und die Kosten nicht rechtfertigt. Hier ist vor allem der Markteintritt von Amazon Prime Now und Amazon fresh, die als Internet-Pure-Player gelten, im deutschen Lebensmittelhandel bedeutsam (Rumscheidt, 2018, S. 39).

 Das Wachstum und der Erfolg des E-Commerce bringt nicht das Ende der stationären Handelsunternehmen mit sich. Vielmehr eröffnen sich Chancen für den stationären Handel und er bleibt ein wichtiger Vertriebskanal. Die Onlinekonkurrenz spornt die stationären Händler zu innovativen Fortschritten an (Jahn, 2017, S. 26). Allerdings nimmt der Handelsverband Deutschlands (HDE) an, dass es die dezentralen Geschäfte, aufgrund der steigenden Mobilität, in den nächsten Jahren sehr schwierig haben werden auf dem Markt bestehen zu bleiben. Etwa 50.000 Geschäfte werden in den kommenden Jahren vom Markt verschwinden (Rumscheidt, 2018, S. 40).

Der stationäre Handel hat viele Möglichkeiten auf die Herausforderungen der Digitalisierung zu reagieren. Für den Kunden ist vor allem die Entscheidungsfreiheit wichtig. Die Digitalisierung schafft den Vorteil, dass der Konsument frei entscheiden kann wann und wo er einkauft. Erfolgsentscheidet für den Handel ist hier das Omnichannel, das Kombinieren verschiedener Angebote auf unterschiedlichen Verkaufskanälen. Dem Konsumenten ist insbesondere das einheitliche Kauferlebnis wichtig. Für große Händler ist es dabei einfacher durch ihr dichtes Filialnetz als für kleinere Händler, die hier mehr Aufwand erbringen müssen. Für kleinere Händler bleibt die Präsenz im Internet dafür umso wichtiger, damit diese Aufmerksamkeit bekommen (Rumscheidt, 2018, S. 40).

 Durch digitale Marktplätze wie Ebay, Otto, Zalando oder Amazon wird es auch für Nischenanbieter und kleineren Händler möglich, die großen Märkte mit ihren Angeboten zu erreichen. Jedoch sind inzwischen auch große Händler wie zum Beispiel Hallhuber und Rossmann, auf digitalen Marktplätzen wie Amazon präsent. Der Nutzen für Händler wie Konsumenten steigt mit dem Wachstum der Netzwerkgröße. Gleichzeitig werden monopolistische Marktstrukturen durch die Netzwerkcharaktere im Wettbewerb der Plattformanbieter erzeugt. Die großen Marktplatzanbieter, wie beispielsweise Amazon, sind der Schlüssel für den Zugang zum Markt. Immer mehr Menschen verwenden Amazon als direkte Suchmaschine für Produkte und Waren. Für den modernen digitalen Handel sind Kundendaten von besonderer Bedeutung. Amazon ermöglicht nicht nur Marktzugänge, sondern legt auch besonders großen Wert darauf Kundendaten für den Handel zu analysieren. Das Technologieunternehmen sammelt Kundendaten mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und wertet diese aus. Damit hat sich die Betrachtung auf eine Zielgruppe (1:n), für die traditionellen Handelsunternehmen in eine individuelle Kundenbeziehung (1:1) umgestellt. Mit dem Vorangehen der künstlichen Intelligenz wird es auch für kleinere Händler praktischer und erschwinglicher die eigenen Kunden besser zu verstehen. (Rumscheidt, 2018, S. 40; Scheer, 2017, S. 55).

Der Onlinehandel bringt zwar viele Möglichkeiten mit sich, jedoch reagiert der Kunde oft Lösungsorientiert und sucht den Händler auf, um sich beraten zu lassen, Probleme zu lösen beziehungsweise offene Fragen zu klären oder einen bestimmten Service/Produkt zu erwerben (Deutscher Städtetag, 2016, S. 15). Weitere zusätzliche Angebote und Dienstleitungen erlauben es den Händlern sich von der Konkurrenz zu differenzieren und seine eigene Marke hervorzuheben. Viele Konsumenten betrachten zusätzliche Dienstleitungen als kaufentscheidend. Dienstleistungsangebote im Handel sind beispielsweise Mobilfunkverträge oder Reisen wie bei Aldi, Handwerkvermittlungen im Bauhaus oder Ökostrom beim Drogeriemarkt (Rumscheidt, 2018, S. 41). Die zentrale Herausforderung, die sich für die Handelsbranche stellt, ist es das richtige Gleichgewicht von online und offline zu finden. Die Handelsbranche muss Investitionen im Onlinehandel, Offlinehandel, in Technologien und in Personal tätigen, um auf dem Markt erfolgreich bestehen zu bleiben. Trotz dieser Tatsache scheuen sich deutsche Händler oftmals Investitionen in diesem Bereich zu tätigen (Absatzwirtschaft, 2017).