Bei Bondaten handelt es sich um Daten mit einer strukturierten Form. Werden Big-Data- Analysen auf diese Daten angewendet, spielt somit die Variety (Datenvielfalt) Dimension des 4V-Modells keine Rolle, da lediglich eine Datenquelle mit seinen verschiedenen Eigenschaften (vgl. 3.3.1) verwendet wird. Außerdem handelt es sich um interne Daten, die das Handelsunternehmen selbst an den PoS-Systemen erheben kann. In der Praxis zeigt sich laut einer Studie vom IBM Institute for Business Value und der Saïd Business School, dass mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen interne Daten als die primäre Datenquelle verwenden (IBM Institute for Business Value und Saïd Business School (Hrsg.) 2012, S. 10).

Da die Analyse von Bondaten bereits vor der Zeit von Big-Data-Analysen durchgeführt wurde (vgl. 3.4), sollen Potenziale aufgeführt werden, wie die Auswertung von Bondaten trotzdem von Big-Data-Analysen profitieren kann. Außerdem werden Herausforderungen für Unternehmen aufgezeigt, die sich gleichermaßen mit der Einführung dessen ergeben.

Potenziale

Da die verwendeten Daten bei Big-Data-Bondatenanalysen mit denen der klassischen Bondatenanalyse übereinstimmen, bleiben die Anwendungsgebiete größtenteils gleich. Potenziale von Big-Data-Analysen von Bondaten werden im Folgenden in die Bereiche Technologie und Methoden unterteilt.

• Technologie

Big-Data-Technologien wie Hadoop ermöglichen es, größere Datenmengen zu speichern und zu analysieren als es mit klassischen Data-Warehouse-Strukturen möglich ist (vgl. ??). Walmart verarbeitet beispielsweise 2,5 Petabytes an Daten pro Stunde (Marr 2015, S. 6). So können auch artikelgenaue Bondaten gespeichert und analysiert werden. Da in der Praxis die Bondaten periodisch und dabei häufig nur einmal täglich an das zentrale Handelsinformationssystem übertragen werden (Becker und Schütte 2004, S. 464), könnte das Hadoop Framework in Kombination mit einem Real-Time-Streaming Framework (z.B. STORM) die Bondaten in Echtzeit für Analysen zur Verfügung stellen und so die Flexibilität der klassischen Bondatenanalysen deutlich erhöhen. Auch Verluste, die für das Unternehmen entstehen, wenn die Daten erst nach Tagen oder Wochen analysiert werden, können verhindert werden (Marr 2015, S. 6).

Die technischen Big-Data Fortschritte ermöglichen im Rahmen der Bondaten somit vor allem eine schnellere Datenverarbeitung bei gleichzeitig steigendem Datenvolumen (Davenport und Dyché 2013, S. 28), was laut Schütte ein „erhebliches Optimierungspotenzial ergibt“ (Schütte 2011, S. 7). Die Beispiele zeigen, dass eine verbesserte Auswertungsgeschwindigkeit und somit auch eine schnellere Entscheidungsfindung die Prozesse von Handelsunternehmen verbessern kann. Tabelle 3, die im Rahmen der Abgrenzung von Big-Data und DWH Technologien (2.4) aufgestellt wurde, zeigt diese Potenziale in übersichtlicher Form.

Nach Hertel ist „Agieren statt Reagieren“ gefordert, was durch die Big-Data-Technologien und schnellere Auswertungen gefördert wird. (Hertel 2011, S. 371) Manyika et al. ergänzen die Geschwindigkeit der Auswertung um die Vereinfachung des Zugangs zu den generierten Informationen und beschreiben dies als die Voraussetzung für die Ausschöpfung weiterer Potenziale und die unmittelbarste Möglichkeit für Unternehmen, erste Vorteile durch Big-Data zu generieren. (Manyika et al. 2011, S. 97)

• Methoden

Big-Data-Analysemethoden liefern weitere Potenziale für die Auswertung von Bondaten. So können Gebiete, die in der klassischen Bondatenanalyse durch Menschen getätigt wurden, nun durch automatisierte Prozesse erledigt werden (Hertel 2011, S. 371). Machine Learning kann bei der Analyse von Kundenkarteninformationen helfen, die nach der Definition in 3.3.1 ebenfalls Teil der Bondaten sind. Tesco, eine britische Supermarktkette, verwendet die Kundekarteninformationen, die am PoS anfallen beispielsweise, um das Kundenverhalten und die Shopping-Muster zu analysieren. Die Prozesse der Kundenkategorisierung und die Auswertung der Warenkörbe werden durch die Machine Learning Algorithmen automatisiert und helfen bei der richtigen Ansprache mit den Kunden. Dadurch können die Gewohnheiten der Kunden aufgedeckt und bei Veränderungen entsprechende Rückschlüsse gezogen werden. Bei der amerikanischen Supermarktkette Target wurden so beispielsweise einer jungen Frau Produkte für Kleinkinder angeboten, weil die Analysemethoden ihre Schwangerschaft anhand ihrer gekauften Artikel feststellen konnte. Target’s Analysemethoden wussten in diesem Fall vor der Familie der Frau von der Schwangerschaft Bescheid. (Bell 2014, S. 7–8) Automatisierte Algorithmen können außerdem Feinabstimmungen von Artikelpreisen basierend auf Echtzeitverkaufsdaten durchführen. (Manyika et al. 2011, S. 99) Zur Darstellung können elektronische Preisschilder verwendet werden. Diese sind mit dem Warenwirtschafts- oder Kassensystem gekoppelt und ermöglichen es, Preisänderungen direkt an den Kunden weiterzugeben. (Ritschel 2015)

Simulationen, Teil der präskriptiven Big-Data-Analysen, können bei der Wahl der optimalen Marketing Maßnahmen helfen (Lavalle et al. 2011, S. 27). Die Resultate vergangener Maßnahmen können anhand der Bondaten überprüft werden, indem diese beispielsweise nach gekauften, reduzierten Artikeln durchsucht werden. Werden die Kunden dann in verschiedenen Kategorien einsortiert, können Simulationen in den historischen Daten nach den Marketing Maßnahmen suchen, die den größten Erfolg, also die meisten Umsätze generiert haben.

Diese Big-Data-Analysen ermöglichen es im Marketing, Streuverluste zu vermeiden, da die Prozesse auf einzelne Kunden oder Kundensegmente, die mit Hilfe von prädiktiven Big-Data-Analysen gebildet wurden, zugeschnitten sind. Auch der Umsatz bei Verkaufsvorgängen kann erhöht werden, da beispielsweise Cross-Selling Potenziale aufgedeckt werden, indem durch Data-Mining Muster bei Kaufentscheidungen identifiziert werden. (Bitkom 2014, S. 9)

Durch die prädiktive Analyse der Bondaten können außerdem die benötigen Produktmengen vorhergesagt werden (Waller und Fawcett 2013, S. 82). Da bei den Bondaten auch die Zeiten und Orte mit abgespeichert werden, können diese ebenfalls analysiert werden, um Muster beim Kaufverhalten, beispielsweise Veränderungen an Feiertage zu erkennen. Daraufhin können die Bestände verwaltet werden und die benötigten Waren bei Lieferanten bestellt werden. Diese Form der Analyse unterstützt somit die Lieferkette (Supply Chain) (Waller und Fawcett 2013, S. 81). Um vielverkaufte Produkte festzustellen und einen Ausverkauf (Out-of-stock) zu verhindern können die Analysen auch in Echtzeit durchgeführt werden. (Bradlow et al. 2017, S. 3)

Herausforderungen

Sollen Big-Data-Analysen von Bondaten verwendet werden, existieren verschiedene Herausforderungen, die überwunden werden müssen. King definiert mehrere Bereiche basierend auf einer Literaturstudie, in denen Herausforderungen bei der Einführung von Big-Data-Analysen auftreten können. Basierend auf diesen Bereichen werden im Folgenden die Herausforderungen von Big-Data-Analysen von Bondaten erläutert (King 2014, S. 82–122):

• Daten

Herausforderungen können bei der Erfassung der Bondaten am Point-of-Sale auftreten, weil diese möglicherweise unvollständig oder ungenau erfasst werden (vgl. 3.3.4). King beschreibt den Datenbezug als eine weitere Herausforderung, die Unternehmen bewältigen müssen (King 2014, S. 83). Da die Bondaten allerdings nicht aus externen Quellen zur Analyse bezogen werden, sondern selbst erhoben werden können, betrifft diese Herausforderung die Big-Data-Analyse von Bondaten nicht.

• Ethik & Privatsphäre

Big-Data selbst ist zunächst ethisch neutral. Die Methoden und Technologien besitzen kein Wertesystem, dies gilt jedoch nicht für die Nutzer der gewonnen Informationen. Da Big-Data-Analysen einzelne Individuen betreffen können, beispielsweise durch personalisiertes Marketing, werden Vorstellungen von Begriffen wie Privatsphäre, Reputation, Eigentum und Identität beeinflusst. (Davis und Patterson 2012, S. 8–9)

Es stellt sich beispielsweise die Frage, inwiefern Personen Copyright-Rechte an ihren Informationen besitzen. Vergleicht man es mit künstlerischen Werken, besitzen deren Schöpfer umfangreiche Rechte daran. Es muss also geklärt werden, ob jede Facette einer Identität den gleichen Privatsphäre Richtlinien unterliegt. (King 2014, 97-88) Das bei den Potenzialen von Big-Data-Analysen von Bondaten vorgestellte Beispiel von Target, bei dem das Handelsunternehmen vor der Familie einer jungen Frau von dessen Schwangerschaft wusste, zeigt einerseits zwar die Potenziale der Analysen, aber auch Probleme bezüglich der Privatsphäre, weshalb es nach Bekanntwerden dieses Falls negative Publicity für Target gab (vgl. Bradlow et al. 2017, S. 15). Das Beispiel zeigt die Risiken, die sich auf ethischer Ebene ergeben können. Davis und Patterson führen das Risiko auf fehlende Transparenz gegenüber ihren Kunden, hinsichtlich der ethischen Konsequenzen der gesammelten Daten zurück.

Bei Bondaten beschränken sich die persönlichen Informationen auf solche, die über Kundenkarten gewonnen werden. Da Kunden aktiv die Kundenkarten beantragen und dabei der Verwendung der Informationen zustimmen, existieren diesbezüglich keine Probleme. Bei Online-Versandhändlern wie Amazon ist das nicht zwangsläufig so eindeutig, dass Informationen auf der Website für Analysezwecke verwendet werden. (Bradlow et al. 2017, S. 93). So werden beispielsweise Daten über die Produkte aufgezeichnet, die sich Kunden ansehen und auch die Tageszeiten der Website-Besuche können dokumentiert werden (Marr 2015, S. 289).

Bradlow et al. empfehlen daher den Privatsphäreproblemen und somit den ethischen Herausforderungen proaktiv zu begegnen, indem den Kunden die Vorteile prädiktiver Analysen erklärt werden und so Akzeptanz für die Datensammlung erzeugt wird, da die Kunden Vorteile wie das personalisierte Empfehlungssystem häufig zu schätzen wissen und dies ohne das Sammeln von Daten nicht möglich wäre. (Bradlow et al. 2017, S. 93) Auch Brücher schlägt eine offene Kommunikation mit den Kunden über die Verwendung der Daten vor, anstatt im Kleingedruckten darüber zu informieren. Über Maßnahmen wie Rabattaktionen können Kunden dann motiviert werden, Kundenkarten zu verwenden und durch einfache und leicht zu findende Möglichkeiten, die persönliche Datenverarbeitung abzulehnen, kann seiner Meinung nach den Kunden vermittelt werden, dass sie die Kontrolle über ihre Daten haben. (Brücher 2013, S. 118–119) Unternehmen müssen sich also entscheiden, ob sie Kunden aktiv auf die Datennutzung hinweisen, um deren Angst vor den unbekannten Risiken einzugestehen und zu respektieren, mit dem Risiko, dass die Kunden der Datennutzung nicht zustimmen, oder ob sie die Informationen im Kleingedruckten verstecken und hoffen, dass sich Kunden nicht damit beschäftigen. Ethische Fragen wie diese werden Unternehmen sich laut Davis und Petterson in Zukunft häufiger stellen müssen, da mehr Daten zur Verfügung stehen und Analyseprozesse vereinfacht werden. (Davis und Patterson 2012, S. 32–33)

• Organisation

Auch organisationsbezogene Herausforderungen entstehen auf Unternehmensebene. (King 2014, S. 98) Um einen Nutzen aus Big-Data-Analysen zu generieren, muss Akzeptanz der Führungskräfte vorhanden sein. IT-Anschaffungen werden häufig eher als Kostenquellen und nicht als potentielle Grundlagen für Unternehmenswachstum gesehen (Manyika et al. 2011, S. 74). Außerdem muss gewährleistet werden, dass Experten des Unternehmens auf betriebswirtschaftlicher Ebene mit den Datenanalysten zusam menarbeiten, um Hypothesen aufzustellen und zu testen, wie beispielsweise der Zusammenhang zwischen Konsumlücken bei Stammkunden und der Abwanderungsgefahr (Kurr et al. 2015, S. 47).

Außerdem ist qualifiziertes Personal notwendig, welches die gesammelten Daten auswertet. Die richtigen Mitarbeiter mit den benötigten Fähigkeiten zu finden erweist sich dabei in der Praxis als Herausforderung (Marr 2015, S. 9). Zu dieser Erkenntnis kommen auch Lavalle et al. bei einer Umfrage von 10 Unternehmen, bei denen vier fehlendes Verständnis über die Verwendung von Big-Data-Analysen aufführen. (Lavalle et al. 2011, S. 23) Auch nach einer Umfrage von Bitkom hängen drei von sieben festgestellten Herausforderungen mit der Organisation zusammen. Diese lauten fehlendes Know-How bezüglich der Technologien und Verfahren, was für einen Mangel an Fachpersonal spricht und Unterschätzung der Potenziale, sowie mangelnde Investitionsbereitschaft, was eine mangelnde Akzeptanz der Führungskräfte nahelegt. (Bitkom 2012, S. 16)

• Rechtslage

Da persönliche Daten laut EU-Recht im Besitz des Datensubjekts bleiben, agiert ein Handelsunternehmen eher als ein Datenverwalter mit begrenzten Nutzungsrechten. Daher muss festgelegt werden, welche Rechte für die Nutzung der Daten erforderlich sind und wer die Verantwortung für einen rechtskonformen Umgang übernimmt. Auch das Recht an den Ergebnissen der Datenauswertungen ist zu klären. (King 2014, S. 106) Die Umfrage von Bitkom zeigt auch, dass juristische Unsicherheiten bezüglich des Datenschutzes und der Datensicherheit eine Herausforderung für Unternehmen darstellen. (Bitkom 2014, S. 16) Für die Bondaten bedeutet das, dass Kunden beim Beantragen von Kundenkarten über die Verwendung der Kundendaten zu Analysezwecken hingewiesen werden und diese dem Verfahren zustimmen müssen.

• Technologie

Wie in 4.2.1 verdeutlicht wird, sorgen die Big-Data-Technologien dafür, dass die Potenziale von Big-Data-Analysen umgesetzt werden können. Um diese Potenziale zu nutzen, müssen die Technologien jedoch in die bestehende Infrastruktur integriert werden, um einen wirtschaftlichen Mehrwert zu ermöglichen. Zentrale Diskussionspunkte bei der Integration sind Anwendbarkeit für Endanwender, Datensicherheit und auch die Gesamtkosten. (Fasel 2014, S. 398) Frameworks wie Hadoop basieren zwar auf herkömmlicher Hardware und verwenden Open-Source Software (King 2014, S. 112), trotzdem kann der gesamte Integrationsprozess der Daten kostenintensiv sein, da das Handelsunternehmen möglicherweise verschiedene heterogene Informationssysteme betreibt, die integriert werden müssen (vgl. Fasel 2014, S. 398; Becker und Schütte 2004, S. 610). Da sich die Technologielandschaft im Bereich Big-Data stetig weiterentwickelt, stehen Unternehmen außerdem einer großen Auswahl an Methoden und Technologien gegenüber und müssen eine optimale Zusammenstellung finden. (Fasel 2014, S. 398) Auch bei der Einführung von Big-Data-Technologien ist Know-how gefordert, was viele ITAbteilungen laut McAfee und Brynjolfsson nicht besitzen. (McAfee und Brynjolfsson 2012, S. 66)