Die Preisdifferenzierung 1. Grades kennzeichnet sich dadurch, dass für jeden Nachfrager der Preis individuell zugeschnitten wird, was bedeutet, dass der Erwerbspreis im Idealfall dem individuellen Maximalpreis des Käufers entspricht (Homburg 2017, S.726). Bei dieser Form der Differenzierung wird die Konsumentenrente vollständig abgeschöpft (Barth 2015, S.210). Beispielhaft zu nennen seien hierfür zum einen Preisverhandlungen, bei denen Anbieter und Nachfrager durch direktes Verhandeln einen Preis festlegen und zum anderen Auktionen, bei denen durch Versteigerung eines Produktes ebenso die maximale Zahlungsbereitschaft eines Nachfragers ersichtlich wird (Simon und Fassnacht 2016, S.245). Diese Art ist auch unter dem Namen „perfekte Preisdiskriminierung“ bekannt und das Gewinnsteigerungspotenzial soll anhand eines Schaubildes (Abbildung 6) näher demonstriert werden (Münter 2018, S.280): Zum Vergleich wird der Einfachheit halber nur ein Unternehmen mit gewöhnlicher Monopolstellung und ein perfekt preisdiskriminierendes Unternehmen mit Monopolstellung herangezogen. Das gewöhnliche Monopol setzt eine Menge von QM zu einem Preis von PM ab und erzielt dabei wie in der Abbildung zu sehen einen Gewinn von A. Es bleibt hierbei eine Konsumentenrente von B über. Wendet man nun perfekte Preisdiskriminierung an und fordert von jedem Nachfrager den individuellen Maximalpreis (PM1,PM2,…, PMn), so wird die Konsumentenrente in Gewinne transformiert, sodass zusätzlich zu A noch ein Gewinn von B und C erzielt wird. Die Preisdifferenzierung 1. Grades wird auch als personalisierte oder individuelle Preisdifferenzierung bezeichnet (Schleusener 2016, S.868). Konkret versteht man unter personalisierten Preisen, Preise, welche auf Basis von gesammelten, relevanten Kundeninformationen generiert werden und somit die maximale Zahlungsbereitschaft eines Kunden widerspiegeln (Zander-Hayat et al. 2016, S.2-3). Relevante Informationen können hierbei zum einen sein, über welches Endgerät, welchen Browser oder welches Betriebssystem die Produktanfrage getätigt wird, wobei diese Informationen zwar technisch leicht zu erfassen sind, jedoch allein betrachtet wenig Hinweise bezüglich der Preisbereitschaft des Nachfragers geben (Schleusener 2017, S.77). Entscheidenderes Indiz geben Informationen über den Kunden wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Herkunft, insbesondere aber auch Informationen über spezifische Handlungsweisen des Kunden im Internet bezüglich Produktsuche und Einkauf (Zander-Hayat et al. 2016, S.2). Wird registriert, dass ein Kunde Anfragen beispielsweise oftmalig über Preissuchmaschinen tätigt, so lässt das auf einen preissensiblen Kunden schließen, fällt dagegen auf, dass der Kunde häufig teurere Onlineshops besucht, kann dies ein Hinweis auf einen eher preisunsensiblen Kunden sein (Schleusener 2017, S.77). Durch die Sammlung großer Datenmengen im Internet (Big Data) und die Anwendung von Computeralgorithmen ist eine solche personalisierte Preissetzung technisch denkbar, im deutschen Markt gibt es bisher jedoch noch keine Beweise für deren Einsatz (Zander-Hayat et al. 2016, S.3- 4). Wie bereits eingesetzte „Recommendation Engines“, welche auf Basis von Kundendaten individualisierte Werbung bereitstellen, könnten auch Systeme nach ähnlichem Prinzip zur personalisierten Preisfindung genutzt werden (Schleusener 2017, S.77). Auf diese möglichen Systeme wird im späteren Verlauf dieser Arbeit noch genauer eingegangen. Auch wenn die technischen Voraussetzungen für eine individualisierte Preissetzung theoretisch bestehen, so stellen andere Faktoren noch Hindernisse für die erfolgreiche Umsetzung dar: Zum einen ist es im Online-Handel schwierig, Kunden stets voneinander abzugrenzen, beispielsweise wenn sie unterschiedliche Endgeräte verwenden (Schleusener 2017, S.78). Zum anderen werden Multi-Channel-Unternehmen vor weiteren Herausforderungen diesbezüglich gestellt: Die Abstimmung von personalisierten Preisen im Internethandel und den Preisen im stationären Geschäft ist kaum umsetzbar (ebd.). Unterschiedliche Preise online und im Geschäft würden nur zur Verwirrung des Kunden beitragen (ebd.). Personalisierte Online-Preise könnte der Kunde auch umgehen, indem er die bestellte Ware im Geschäft gegen die dort eventuell niedriger bepreiste Ware umtauscht (ebd., S.79). Des Weiteren könnten Kunden, welche aufgrund ihrer hinterlassenen Daten einen hohen Preis offeriert bekommen, den Bestellvorgang über andere Personen mit niedrigeren personalisierten Preisen das Produkt bestellen lassen (Schleusener 2016, S.870). Das Manipulieren des hinterlassenen Verlaufs und der Daten auf Kundenseite mittels dafür vorgesehenen Technologien oder Systemen ist ebenfalls nicht auszuschließen (ebd., S.870-871). Zusätzlich müssten alle Konkurrenten genauso, im Idealfall, dieselben maximalen, individuellen Zahlungsbereitschaften erfassen und die Preise demnach setzen, sonst besteht die Gefahr, dass Kunden zur günstigeren Konkurrenz ohne individualisierte Preise abwandern (Schleusener 2017, S.82). Ob die Nachfrager personalisierte Preise akzeptieren und welche negativen Auswirkungen deren Reaktionen auf Unternehmen diesbezüglich haben könnten wird im Laufe der Arbeit noch analysiert. Die Erhebung der tatsächlichen Preisbereitschaft für jeden einzelnen Kunden stellt sich folglich in der Praxis als schwierig und kostenintensiv dar (Simon und Fassnacht 2016, S.245).

Abbildung 6: Gewinnsteigerung durch perfekte Preisdiskriminierung (Münter 2018,
S.280)