Zusammenfassung und kritische Würdigung

Die vorliegende Arbeit liefert eine erste grundlegende Übersicht über die Möglichkeiten eines Einsatzes differenzierter Preise im Lebensmitteleinzelhandel. Es konnte gezeigt werden, dass die Anwendung verschiedener Formen der Preisdifferenzierung im Einzelhandel und auch im Lebensmitteleinzelhandel für Unternehmen gewinnmaximierend und effizienzsteigernd sein kann, da Händler von einem unelastischen Nachfrageverhalten bezüglich der Preise profitieren können, indem die Konsumentenrente besser abgeschöpft wird. Auch wenn derzeit die Strategie der Preisdifferenzierung im Lebensmitteleinzelhandel noch eingeschränkt praktiziert wird, ergeben sich besonders durch die zunehmenden Umstellung auf neue Vertriebswege für Lebensmittel, wie beispielsweise auf den Lebensmittel-Online-Handel, auffallende Potenziale. Hierbei sind besonders die Perspektiven einer personalisierten oder dynamischen Preissetzung als positiv einzuschätzen. Die leichtere Erfassung von großen Mengen an relevanten Kundendaten im Online- Handel, als Grundvoraussetzung für personalisierte Preise, sowie die günstige Integration von darauf ausgerichteten automatisierten Informationssystemen sprechen für solch eine Entwicklung. Es konnte aufgezeigt werden, dass auf künstlicher Intelligenz basierende Systeme, wie beispielsweise von BlueYonder oder Prudsys, in der Lage sind, optimalere Preise aus Unternehmenssicht zu berechnen, da diese eine Vielzahl von Preisbildungsfaktoren berücksichtigen und exaktere Prognosen über Absatzzahlen und der Preis-Nachfrage-Beziehung liefern. Starre, herkömmliche Verfahren wie zum Beispiel kosten- oder wettbewerbsorientierte Verfahren ignorieren hingegen wichtige Einflussfaktoren des dynamischen Marktes bei der Preisfindung. Unter ständiger Einbeziehung der aktuellen Nachfragesituation und den damit verbundenen äußeren Umwelteinflüssen können KI-basierte Systeme auch im Lebensmittel-Online-Handel eine dynamische Preissetzung ermöglichen. Die dadurch ermittelten Preisabsatzfunktionen und Preiselastizitäten könnten somit für mathematische Methoden herangezogen werden, um auf den gewinnoptimalen Preis zu schließen. Ebenso ist es denkbar, dass solche selbstlernenden intelligenten Systeme individuelle Preisabsatzfunktionen und Preiselastizitäten prognostizieren und die maximale Zahlungsbereitschaften individueller Kunden ermitteln. Hierfür relevante Daten können aus dem individuellen Kunden-Account und dem Kaufverhalten erfasst werden und daraus personalisierte Preise abgeleitet werden. Auch wenn die tatsächliche Durchsetzung KI-basierter-Systeme nicht exakt vorhersehbar ist und der Einsatz dieser, möglicherweise wegen Furcht vor einer Umstellung der bisherigen Preispolitik, auch bei Online-Lebensmitteleinzelhändlern noch kaum verbreitet zu sein scheint, ist es meiner Meinung nach wahrscheinlich, dass in Zukunft immer mehr Unternehmen ein zunehmendes Interesse an der Anschaffung KI-basierter Preisbildungstools zeigen werden. Diese Vermutung resultiert zum einen aus dem steigenden Konkurrenzdruck durch wachsender Zahl der Lebensmittel-Online-Händler, den positiven Auswirkungen auf den Unternehmensgewinn und der Einfachheit durch die Automatisierung. Die Digitalisierung ermöglicht jedoch auch im stationären Lebensmitteleinzelhandel beispielsweise durch den Einsatz digitaler Preisschilder eine differenzierte Preissetzung, insbesondere das Dynamic Pricing oder sogar personalisierte Preise. Trotz der vermeintlich gewinnsteigernden Effekte differenzierter Preise aus Unternehmenssicht, unabhängig vom Vertriebskanal, sollte meiner Meinung nach die Kundenperspektive nicht außer Acht gelassen werden. Eine starke Dynamik der Preise könnte dem Kundenvertrauen schaden und zu Verwirrung, Unsicherheit, Verärgerung und Misstrauen gegenüber dem Anbieter führen. Dies ist aus Unternehmenssicht ebenfalls als negativ aufzufassen, denn es besteht die Gefahr, dass Kunden abwandern. Solch eine Reaktion ist auch als Folge mangelnder Preistransparenz denkbar, denn durch die steigende Komplexität der Preissetzung, besonders bei KI-basierter Preisfindung, ist es für die Nachfrager kaum möglich nachzuvollziehen, wie die Preise zustande kommen. Des Weiteren könnten personalisierte Preise, oder als solche wahrgenommene, als „unfair“ betrachtet werden. Ebenso könnte es als „diskriminierend“ empfunden werden, wenn zum Beispiel auf Grundlage der hinterlegten Kundendaten oder des individuellen Kaufverhaltens auf jeden Nachfrager individuell zugeschnittene Preise angeboten werden. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Kunden die Bereitstellung Ihrer Daten bewilligen, was wiederum für die erfolgreiche Umsetzung personalisierter Preise unabdingbar ist. Des Weiteren ist es denkbar, dass Kunden dynamische oder personalisierte Preise im Lebensmittel-Online-Handel mithilfe bestimmter Systeme ihrerseits überlisten könnten und sich der dadurch erhoffte Gewinnvorteil seitens der Unternehmen relativiert. Ebenso darf die Möglichkeit von Arbitrage auch bei Formen der Preisdifferenzierung im Lebensmittelhandel nicht unterschätzt werden.

Forschungsausblick

Die in dieser Arbeit herausgearbeiteten potenziellen Vorteile des Einsatzes differenzierter Preise im Stationären- sowie Online-Lebensmitteleinzelhandel sprechen für eine genauere Untersuchung des Themas in der Zukunft. Besonders wegen dem Potenzial von automatischen Preissetzungssystemen und der damit verbundenen künstlichen Intelligenz scheint es lohnenswert zu sein, die Forschung speziell in diesem Bereich weiter auszudehnen. Da der Einsatz dynamischer Preise und personalisierter Preise vor allem im Lebensmitteleinzelhandel in der Praxis noch wenig verbreitet und erforscht ist, empfiehlt es sich, neben der technischen Optimierung der genannten Systeme, den Fokus auf die weitere Forschung der Kundeneinstellungen gegenüber differenzierter Preise im Lebensmitteleinzelhandel, welche noch als Schwachpunkt in diesem Bereich zu sehen sind, zu legen. Dies könnte anhand weiterer Studien näher überprüft werden, um beispielsweise zu untersuchen, inwieweit differenzierte Preise aus Kundensicht akzeptiert werden. Da im Lebensmitteleinzelhandel der Preis- und Wettbewerbsdruck besonders präsent ist und sich dieser mit steigender Zahl der Lebensmittel-Online-Händler immer weiter zunimmt, steigt auch der Forschungsdruck in diesem Bereich seitens der Unternehmer, um im Markt weiterhin zu bestehen. Meiner Meinung nach wird jedoch allein die praktische Umsetzung differenzierter Preise im Lebensmittelhandel den tatsächlichen Erfolg oder Misserfolg und die Akzeptanz der Nachfrager zeigen. Ob und wieweit sich differenzierte Preise im Lebensmitteleinzelhandel durchsetzen, hängt größtenteils von den Nachfragern und Mitwettbewerbern ab und ist meiner Meinung nach schwer einzuschätzen.